Am 18. März auf die Straße: Freiheit für alle politischen Gefangenen

Am 18. März, dem Tag der politischen Gefangenen finden sowohl an der JVA Stuttgart Stammheim, als auch an der JVA Rottenburg-Tübingen, in der der Antifaschist Dy weiterhin inhaftiert ist, statt.

Aufruf aus Tübingen:

Risse im Beton
Kundgebung am 18. März zum Tag der politischen Gefangenen

Der Antifaschist Dy sitzt seit Mittwoch, dem 4. November 2020, in Stuttgart-Stammheim und seit dem 1. Februar 2021 in Tübingen in Untersuchungshaft. Dy war einer der Antifaschist:innen die im Sommer letzten Jahres von Repression betroffen waren und immer noch sind. Ihnen wird vorgeworfen an einer Auseinandersetzung mit Nazis beteiligt gewesen zu sein. Insgesamt wurden im Zuge der staatlichen Machtdemonstration zehn Hausdurchsuchungen durchgeführt und zwei Menschen in U-Haft gesteckt. Auch hier in Tübingen fand eine willkürliche Hausdurchsuchung statt. Die Razzien vom 2. Juli 2020, sowie die Inhaftierungen sind staatliche Angriffe auf die antifaschistische Bewegung. Weitere Informationen dazu findet ihr hier: notwendig.org

Der 18. März ist der internationale Tag der politischen Gefangenen. Wir wollen diesen Tag zum Anlass nehmen, um unserer Wut und Solidarität Ausdruck zu verleihen. Lasst uns dagegen aufstehen, dass Menschen, die dieses System hinterfragen, kritisieren oder ablehnen, nicht nur nicht gehört, sondern aktiv weggesperrt werden! Deswegen rufen wir dazu auf, den Gefangenen an diesem Tag Grüße über die kalten, grauen Knastmauern zu senden, um den tristen Alltag für einen kurzen Augenblick zu durchbrechen. Im Tübinger Knast sitzen hauptsächlich Untersuchungshäftlinge. Üblich ist aber auch, dass dort Abschiebehaft und Haftstrafen wegen nicht gezahlter Geldstrafen abgesessen werden. Damit befinden sich im Tübinger Knast viele Menschen, die in einer Gesellschaft ohne Grenzen und Kapitalismus überhaupt nicht kriminalisiert worden wären.
In einer befreiten Gesellschaft wäre Knast jedoch überhaupt kein Mittel der Machtausübung über andere Menschen – es würden viele Gründe wegfallen, die heute dazu führen, dass Menschen eingesperrt werden: Delikte, bei denen es darum geht, an Geld zu kommen; Abschiebehaft; Ersatzfreiheitsstrafen, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Das Märchen, die Gefangenen kämen aus dem gewaltförmigen System Knast als „resozialisierte, bessere Menschen“ heraus, ist ein Irrweg. Der Entzug der Freiheit ist vielmehr eine der unmenschlichsten Formen der Kontrolle und Disziplinierung eines anderen Menschen und führt oft zum Gegenteil dieses vermeintlichen Ziels der „Resozialisierung“. Deshalb ist unsere Utopie eine Welt ohne Knäste! Auch wenn der Staat Revolutionär:innen und Antifaschist:innen einsperrt, linke Bewegungen mit Repression überzieht und damit versucht uns mundtot zu machen, lassen wir uns nicht einschüchtern. Stattdessen werden wir unseren Kampf gegen Faschismus und für eine solidarische und befreite Gesellschaft mit doppelter Motivation fortführen. Jetzt erst recht!
Wir halten solidarisch zusammen und lassen staatliche Repression damit ins Leere laufen!

Zwei Tage nach der Kundgebung in Tübingen, am 20. März 2021, findet in Stuttgart eine überregionale Demonstration in Solidarität mit den Antifaschist:innen Lina, Jo & Dy statt. Beginn ist um 14 Uhr am Hauptbahnhof. Die Demo richtet sich gegen die staatlichen Angriffe auf die antifaschistische Bewegung im Generellen und steht auch im Kontext des Tags der politischen Gefangenen.
Zur gemeinsamen Anreise aus Tübingen treffen wir uns um 12:45 Uhr am Bahnhof.
Unsere Aktion am 18. März sehen wir als Ergänzung dazu und als Zeichen der Solidarität hier in Tübingen.

Aufruf aus Stuttgart:

Gemeinsam gegen Repression und Unterdrückung
Am 18. März und darüber hinaus: Freiheit für alle politischen Gefangenen
Der 18. März als Tag der politischen Gefangenen ist ein Teil der Geschichte des Kampfes
für eine befreite und klassenlose Gesellschaft. Dieser Kampf hält bis heute an. Immer
noch kämpfen wir für eine Welt ohne Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung. Denn die
kapitalistischen Verhältnisse produzieren Armut, Krieg, Ausbeutung, Unterdrückung und
Entfremdung – und das am laufenden Band. Die Methoden haben sich verändert, die
Herrschenden haben sich geändert und doch ist die Systematik die selbe geblieben: Die
Ausbeutung des Großteils der Bevölkerung, die den Reichtum einer Minderheit
produzieren. Wer sich gegen dieses System der organisierten Unterdrückung und
Ausbeutung auflehnt und für eine gerechte, solidarische Gesellschaft kämpft, bekommt
früher oder später die Repression des Staates zu spüren.
Repression kann dabei unterschiedliche Formen annehmen und wird gerade jetzt, in
Zeiten der wachsenden Unzufriedenheit und des wachsenden Unmuts in der Bevölkerung, immer mehr zum Mittel der Wahl, um die herrschende Ordnung aufrecht zu erhalten. So sind wir seit Jahren mit einer stetigen Verschärfung der repressiven Maßnahmen konfrontiert, die sich auch im letzten Jahr nochmals weiter zugespitzt hat. Hier nur einige Beispiele dazu:

• Anfang November, fanden in Leipzig mehrere Hausdurchsuchungen mit dem
Vorwurf einer Gründung einer sog. kriminellen Vereinigung mit Hilfe des §129
gegen vermeintliche Antifaschist*innen statt. Hierbei wurde Lina verhaftet, die
seitdem in Untersuchungshaft sitzt. Ihr wird vorgeworfen „Angriffe gegen Personen
der rechten Szene durchgeführt zu haben“.
• Auch mit Hilfe der sog. Antiterrorparagraphen §§129 werden türkische und
kurdische Strukturen verfolgt und vor Gericht gestellt.
Seit April 2019 findet vor dem OLG Stuttgart in Stammheim ein §129b Prozess
statt. In Stammheim sind vor allem kurdische Aktivist*innen mit Repression
konfrontiert: mehrmals im Jahr kommt es zu Verhaftungen und Verurteilungen von
Aktivist*nnen, denen die Mitgliedschaft (oder Unterstützung) in der PKK
vorgeworfen wird, die trotz (oder gerade wegen) erfolgreicher Bekämpfung von
islamistischen Milizen und Verteidigung des freiheitlichen Projektes Rojava, nach
wie vor als terroristische Organisation gelten.
• Auch im Rahmen der Repression gegen die Proteste gegen den G20 Gipfel stehen
auch heute mehr als 3 Jahre nach dem Gipfel weitere Verfahren aus. So befinden
sich auch heute noch Aktivist*innen weiterhin in Haft. Die besondere Qualität der
Prozesse besteht neben der Menge und dem Umfang v.a. darin, dass es nicht um
die konkrete Beteiligung an einer Straftat geht, sondern darum, ob man an einer
Demonstration teilgenommen hat, von der aus Straftaten begangen worden sind
und begangen werden könnten.
• Am 30. Oktober 2020 wurden Martin E. und Nicole G. festgenommen und befinden
sich seitdem in der JVA Stuttgart bzw. Schwäbisch Gmünd. Ihnen wird vorgeworfen,
für eine Reihe von Drohschreiben und versuchten Anschlägen verantwortlich zusein. Konkret wird ihnen zur Last gelegt, Drohbriefe an zahlreiche Politiker*innen
geschickt zu haben, da sie „nichts gegen Ausbeutung, Faschismus, Gentrifizierung,
Ignoranz gegenüber Klimaprobleme“ unternehmen.
• Ganz allgemein gesprochen sind antifaschistische und antikapitalistische Proteste
mit einer sich verschärfenden Kriminalisierung konfrontiert, bei der auch immer
öfters den Angeklagten Knast oder hohe Bewährungsstrafen drohen.
• Im April soll auch das Verfahren gegen Jo und Dy in Stuttgart beginnen. Ihnen wird
vorgeworfen, am Rande der Querdenker-Demonstration, Personen der rechten
Gewerkschaft „Zentrum Automobil“ angegriffen und schwer verletzt zu haben.
Während Jo aus der Haft entlassen worden ist, sitzt Dy weiterhin noch in der JVA
Stammheim.
• Gleichzeitig gibt es neue gesetzliche Verschärfungen, die die Befugnisse der
Behörden weiter ausweiten und ein Diskurs über das Verbot von linken Strukturen
geführt, zuletzt in Niedersachsen, wo ein Verbot der Antifa diskutiert wurde.
Und dabei handelt es sich nur um einige Beispiele für aktuelle Repressionsfälle.

Widerstand – Repression – Solidarität
Repression zielt dabei darauf ab, Kämpfe zu unterdrücken und letztlich zu zerschlagen,
um die herrschende Ordnung mit aller Gewalt aufrechtzuerhalten und die entstehenden
Klassenkämpfe zu verhindern – einerseits akut, andererseits präventiv, um die
ideologische Vorherrschaft über die Geschichte zu gewinnen, aber auch durch
Einschüchterung und Abschreckung AktivistInnen abzuhalten diesen Kampf aufzunehmen oder weiterzuführen.
D.h., dass Repression uns alle was angeht: Wenn der Kampf um Befreiung, der Kampf für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung angegriffen wird, dann werden wir alle
angegriffen – auch wenn es nur einzelne trifft.
Umso notwendiger ist es am 18. März, aber auch Tag für Tag, dieser Repression unsere
Solidarität entgegenzusetzen. Denn wenn Repression in der kapitalistischen Logik auf
Widerstand folgt, so muss in einer revolutionären Logik Solidarität auf Repression folgen.
Und während die Herrschenden sich in der Verfolgung von politischen Aktivist*innen
ziemlich einig sind, so muss es für uns darum gehen, in der Frage der Solidarität
ideologische und politische Unterschiede zu überwinden, um den Angriffen unsere
geschlossene Solidarität entgegenstellen zu können und gemeinsam den Kampf für eine
befreite Gesellschaft weiterzuentwickeln.
Zeigen wir uns also solidarisch mit denjenigen, die mit Repression konfrontiert sind, und
mit den Gefangenen, die für die Perspektive einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und
Unterdrückung kämpfen und weltweit in Knästen weggesperrt sind. Nutzen wir den Tag
der politischen Gefangenen und zeigen ihnen, dass sie nicht alleine sind.
Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Kundgebung: Donnerstag, 18.03, 18:00 Uhr
Vor der JVA Stammheim
U15 Stammheim

Geschichte des 18. März
Der 18. März ist der Jahrestag der Pariser Kommune, der erste proletarische Versuch
einer sozialistischen Umwälzung. Die Pariser Kommune wurde während des Deutsch-
Französischen Krieges (1870-1871) spontan gebildet, vertrieb die konservative
Zentralregierung aus der Hauptstadt Frankreichs und errichtete mit rätedemokratischen
und sozialistischem Vorbild einen „Stadtrat“.
Fortan – für 72 Tage – regierte die Pariser Kommune bis zum 28. Mai 1871, als die
Regierungstruppen die Macht über Paris wieder übernahmen. Die Reaktion übte nach
ihrem Sieg an den Kommunard*innen blutige Rache. Mehr als 20.000 Männer und Frauen
wurden getötet und mehr als 40.000 zumeist lebenslangen Haftstrafen verurteilt.
So wurde der 18. März von der Internationalen Roten Hilfe 1923 zum Tag der politischen
Gefangenen ausgerufen, als Erinnerung an die Kommune, als Geschichte des Aufbruchs,
aber auch als Erinnerung an die Repression. Mit diesem Datum wurde auch der
Zusammenhang zwischen Revolution und Konterrevolution, also dem Kampf gegen die
bestehenden Verhältnisse und der daraus folgenden Repression deutlich gemacht.
Im Faschismus wurde der 18. März verboten und konnte auch auf Grund der Repression
nicht mehr begangen werden. Nach dem Faschismus wurde der 18. März erst wieder
1996, auf Initiative von Libertad, zum Aktionstag für die Freiheit der politischen
Gefangenen begangen. Seither wird dieser Tag jedes Jahr mit Veranstaltungen, Demos
oder anderen Aktivitäten begangen.
In Stuttgart wird seit einigen Jahren am 18. März vor den Knast in Stammheim gegangen,
um den Gefangenen deutlich zu machen, dass wir sie nicht vergessen haben und dass sie weiterhin Teil der Kämpfe sind.