[Grußwort] Jo über die Auswirkungen der “Sparpolitik” im Knast

Liebe Genossinnen und Genossen,

tagtäglich lesen wir in der Zeitung und sehen wir im Fernsehen, dass wir anscheinend kurz vor einem Black-Out stehen, wenn nicht jeder auf Duschen verzichtet und die Wohnung nur noch mit Kerzen beleuchtet. Für die unbezahlbaren Stromkosten gibt es jetzt symbolische Energiepreisdeckel – auch um den potenziellen Widerstand in der Bevölkerung gegen die Teuerungen in jedem Lebensbereich und den Wirtschaftskrieg gegen Russland möglichst klein zu halten. Man macht sich was vor, wenn man denkt, dass Politiker, die uns statt der Dusche den Griff zum Waschlappen empfehlen, uns mit diesen Preisdeckel was Gutes tun wollen. Nein, da geht es nur darum, die Bevölkerung ruhig zu halten. Für die Interessen der Reichen, die in diesem Staat das Sagen haben, sollen wir im Winter frieren und haben am Ende des Monats trotzdem nicht genug Geld, um den Wocheneinkauf zu bezahlen.

Die Herrschenden sind sich ihrer Macht nicht sicher genug, um den Menschen draußen in Freiheit die tägliche Dusche oder die warme Wohnung zu verbieten. Aber bei uns Gefangenen haben sie keine so großen Bedenken: wenn man einfach die Zelle zuschließen kann, muss man sich wenig Sorgen vor einem heißen Herbst oder Wut-Winter machen.

So wurde uns vor einigen Wochen mitgeteilt, dass das Justizministerium beschlossen hat, unsere Zellen ab jetzt tagsüber nur noch auf 20°C, nachts höchstens auf 16°C zu beheizen. Dazu kommt, dass ein Großteil unserer Duschmöglichkeiten wegfällt. Vor und nach der Arbeit, an Wochenenden und vor allem vor Besuchen dürfen wir nicht mehr duschen. Viele von uns arbeiten in Betrieben, in denen man nach 8 Stunden schwerer Arbeit durchgeschwitzt und verdreckt ist. Z.B. sind meine Arme und mein Gesicht nach meiner Tätigkeit in der Schlosserei oft schwarz vom öligen Stahl, den ich bearbeite.

Wenn ich montags Besuch habe, muss ich denen, die mir lieb sind und die ich sowieso viel zu selten sehe, verdreckt und seit Freitagabend ungewaschen gegenübertreten. Duschen können wir nämlich nur noch unter der Woche in der anderthalbstündigen Freizeit am Abend, wo die Zeit mit Zelle putzen, kochen und telefonieren auch so schon knapp ist.

Bei allen Entbehrungen, denen man im Knast sowieso und in Zeiten der Energiekrise noch mehr ausgesetzt ist, gibt es einem aber viel Kraft, wenn man die Solidarität der Menschen da draußen spürt. Hinter den Knastmauern lebt man wie in einer Parallelwelt, die Geschehnisse, die Leute und die Gesellschaft draußen wirken sehr weit weg. Da ist man froh über jeden Moment, in dem man spürt, dass man nicht vergessen wird und nicht alleine ist, sei es durch Briefe, Feuerwerk vor dem Knast oder alle anderen, die einen irgendwie erreichen.

Unsere Stärke liegt in unserer Solidarität, das ist keine leere Floskel. Die unbändige Freude und Kraft, die man spürt, wenn Genoss:innen ihre Solidarität zeigen, lässt sich nur schwer beschreiben und kann – wenn man auch nur für ein paar kurze Augenblicke – die Gefängnismauern überwinden. Egal wie hoch sie sind.