Kampagne organisiert Solidarität mit inhaftierten Antifaschisten »Jo« und »Dy«. Ein Gespräch mit Anna Herrmann. Interview: Henning von Stoltzenberg in der Jungen Welt
Im Oktober 2021 wurden zwei unter den Namen »Jo« und »Dy« bekannt gewordene Antifaschisten zu viereinhalb bzw. fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Wofür diese so hohen Haftstrafen?
Ihnen wird vorgeworfen, an einer Auseinandersetzung mit Faschisten der rechten Scheingewerkschaft »Zentrum Automobil« am Rande einer »Querdenken«-Demonstration beteiligt gewesen zu sein. Angeklagt wurden sie wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung, zeitweise stand versuchter Totschlag im Raum. Das gesamte sogenannte Wasen-Verfahren ist politisch motiviert. Schon früh zeichnete sich ab, dass an Jo und Dy ein Exempel statuiert werden sollte. Dies bestätigte auch das Urteil, bei dem eine politische Begründung dargelegt wurde und es dem Gericht um eine Delegitimierung antifaschistischer sowie revolutionärer Politik geht. So spricht es von Handeln aus »ideologischer Verblendung« und von »Linksextremisten, wie man sie sich vorstellt«.
Sie haben das Verfahren begleitet. Welches Fazit ziehen Sie daraus?
Im Rahmen unsere Kampagne »Antifaschismus bleibt notwendig« haben wir nicht nur die direkte Unterstützung für alle Betroffenen organisiert, sondern auch versucht, die Repression politisch einzuordnen. Letztlich geht es uns darum, dem staatlichen Angriff unsere Solidarität entgegenzustellen. Ziel der Repression ist immer auch die Schwächung unserer Arbeit. Eine Fortführung und Ausweitung der eigenen Praxis und der Aufbau von Strukturen ist für uns daher die konsequenteste Antwort auf die Repression.
Wie ist die Haftsituation der beiden Antifaschisten? Gibt es Repressalien im Gefängnis?
Die Situation der Gefangenen ist sehr unterschiedlich. Jeder Knast hat eigene Regeln, Möglichkeiten und einen Tagesablauf. Jo sitzt in Ravensburg in Haft. Vor kurzem hat er über die Sparmaßnahmen im Knast geschrieben. So wurden zum Beispiel die Duschzeiten beschränkt und die Temperatur auf 16 Grad in der Nacht gesenkt. Dy wiederum sitzt in Bruchsal in Haft. In den ersten Wochen wurde er stark schikaniert. So durfte er keinen Kontakt zu Anwälten oder seiner Familie haben. Auch Besuche, Briefe und Telefonate wurden unterbunden. Resultat der Schikanen war, dass Dy keine politische Bezugnahme mehr wollte. Wir bedauern, dass wir der Repression nichts gegenhalten konnten, und respektieren seine Entscheidung. An unserer Solidarität mit ihm wird sich deswegen nichts ändern.
Politische Gefangene haben eine besondere Stellung im Knast: Im Gegensatz zu vielen anderen Gefangenen erhalten sie Solidarität von außen, Briefe und finanzielle Unterstützung. Das missfällt auch der JVA, die die politischen Gefangenen dafür besonders schikaniert.
Welches Ziel hat die bundesweite Infotour Ihrer Kampagne?
Mit den Veranstaltungen möchten wir das »Wasen-Verfahren« bekannt machen und auf die Hintergründe eingehen. Auch möchten wir unsere gemachten Erfahrungen teilen und voneinander lernen.
Gibt es weitere Repressionsfälle dieser Art gegen Linke in Baden-Württemberg?
In den vergangenen Jahren gibt es immer mehr politische Gefangene in Baden-Württemberg. Der Antifaschist »Findus« sitzt seit Juli 2021 für verschiedene antifaschistische Aktivitäten in Heimsheim. Auch im Knast ist er weiterhin politisch aktiv, solidarisiert sich mit kurdischen Gefangenen und thematisiert die Situation seiner Mitgefangenen. Zusätzlich laufen gerade Verfahren gegen drei linke Aktivistinnen und Aktivisten wegen der Beteiligung an der »Krawallnacht« in Stuttgart. Auch hier wurden zwei Genossen zu hohen Haftstrafen verurteilt.
Anlässlich des Tages des politischen Gefangenen am 18. März wollen wir mit verschiedenen Solidaritätskampagnen und der Roten Hilfe all diese Gefangenen im Rahmen einer Bustour besuchen und unsere Solidarität zum Ausdruck bringen.
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