Grußwort in der Sonderzeitung der Roten Hilfe zum 18.März 2023

„Unbändige Freude und Kraft, die man spürt, wenn Genoss*innen ihre Solidarität zeigen“

Grußwort von Jo aus der JVA Ravensburg

Vorbemerkung von Genoss*innen von Jo aus der „Antifa bleibt Notwendig“-Kampagne: Das nachfolgende Grußwort von Jo ist im Dezember 2022 entstanden, nachdem die  beschriebenen Regelungen zum Gassparen in den Knästen in Baden-Württemberg eingeführt wurden. Das Grußwort hat ganze fünf Wochen gebraucht, bis es über den regulären Postweg zu uns nach draußen gelangt ist.

Das eigentliche Grußwort für diese Ausgabe der Sonderzeitung zum Internationalen Tag der politischen Gefangenen ist auf dem Briefweg verzögert oder aufgehalten worden – welche Ironie – und hat es leider nicht mehr rechtzeitig nach draußen geschafft.Umso deutlicher bestätigt sich noch einmal, wie wichtig es ist, dass wir unsere Gefangenen nicht vergessen und ihnen Briefe schreiben.

Liebe Genoss*innen,

tagtäglich lesen wir in der Zeitung und sehen wir im Fernsehen, dass wir anscheinend kurz vor einem Black-Out stehen, wenn nicht jede*r auf Duschen verzichtet und die Wohnung nur noch mit Kerzen beleuchtet.

Für die unbezahlbaren Stromkosten gibt es jetzt den symbolischen Energiepreisdeckel, um den Widerstand in der Bevölkerung gegen die Teuerungen in jedem Lebensbereich und den Wirtschaftskrieg gegen Russland möglichst klein zuhalten. Man macht sich was vor, wenn man denkt, dass Politiker*innen, die uns statt der Dusche den Griff zum Waschlappen empfehlen, uns mit diesem Preisdeckel was Gutes tun wollen. Nein, da geht es nur darum, die Bevölkerung ruhig zuhalten. Für die Interessen der Reichen, die in diesem Staat das Sagen haben, sollen wir im Winter frieren und haben am Ende des Monats trotzdem nicht genug Geld, um den Wocheneinkauf zu bezahlen.

Die Politiker*innen sind sich ihrer Macht nicht sicher genug, um den Menschen draußen in Freiheit die tägliche Dusche oder die warme Wohnung zu verbieten. Aber bei uns Gefangenen haben sie keine so großen Bedenken. Wenn man einfach die Zelle zuschließen kann, muss man sich wenig Sorgen vor einem heißen Herbst oder Wutwinter machen. So wurde uns vor einigen Wochen mitgeteilt, dass das Justizministerium beschlossen hat, unsere Zellen ab jetzt tagsüber nur noch auf 20 Grad, nachts höchstens auf 16 Grad Celsius zu beheizen. Dazu kommt, dass ein Großteil unserer Duschmöglichkeiten weg fällt. Vor und nach der Arbeit, an Wochenenden und vor allem vor Besuchen dürfen wir nicht mehr duschen. Viele von uns arbeiten in Betrieben, in denen man nach acht Stunden schwerer Arbeit durch geschwitzt und verdreckt ist. Zum Beispiel sind meine Arme und mein Gesicht nach meiner Tätigkeit in der Schlosserei oft schwarz vom öligen Stahl, den ich bearbeite. Wenn ich montags Besuch habe, muss ich denen, die mir lieb sind und die ich sowieso viel zu selten sehe, verdreckt und seit Freitagabend ungewaschen gegenübertreten. Duschen können wir nämlich nur noch unter der Woche in der anderthalbstündigen Freizeit am Abend, wo die Zeit mit Zelle putzen, Kochen und Telefonieren auch so schon knapp ist.

Bei allen Entbehrungen, denen man im Knast sowieso und in Zeiten der Energiekrise noch mehr ausgesetzt ist, gibt es einem aber viel Kraft, wenn man die Solidarität der Menschen da draußen spürt. Hinter den Knastmauern lebt man wie in einer Parallelwelt, die Geschehnisse, die Leute und die Gesellschaft draußen wirken sehr weit weg. Da ist man froh über jeden Moment, in dem man spürt, dass man nicht vergessen wird und nicht alleine ist, sei es durch Briefe, Feuerwerk vor dem Knast oder alle anderen, die einen irgendwie erreichen.

Unsere Stärke liegt in unserer Solidarität, das ist keine leere Floskel. Die unbändige Freude und Kraft, die man spürt, wenn Genoss*innen ihre Solidarität zeigen, lässt sich nur schwer beschreiben und kann – wenn auch nur für ein paar kurze Augenblicke – die Gefängnismauern überwinden. Egal wie hoch sie sind.

Jo, aktuell inhaftiert in der JVA Ravensburg

 

Grußwort in der Sonderzeitung der Roten Hilfe zum 18.März 2021

Grußwort des frisch aus der Haft entlassenen Genossen Jo

Liebe Genoss*innen,

am 18.3. steht für uns die Solidarität mit den politischen Gefangenen einmal im Mittelpunkt von Aktionen und Co.

Dass Solidarität ein Hauptmerkmal unserer Bewegung ist, wird jeder*m klar, die*der mal auf einer unserer Veranstaltungen war. Egal ob bei der Verteidigung der Revolution in Rojava auf deutschen Straßen, bei Protesten gegen Rechte und Faschist*innen oder der Unterstützung der Klimaproteste im Dannenröder Forst; ohne Zusammenhalt, gegenseitige Unterstützung und Hilfe kann es keine erfolgreiche linke Bewegung geben. Ein wichtiger Teil der umfassenden Solidaritätsarbeit ist die Unterstützung der politischen Gefangenen, welche mir bis zu meiner Entlassung Mitte Januar 2021 zugute kam.

Am 2. Juli letzten Jahres kam es in mehreren Städten in Baden-Württemberg zu Hausdurchsuchungen und der Festnahme von mir. Anfang November gab es eine zweite Inhaftierung, seitdem sitzt der Genosse Dy ebenfalls hier in Stuttgart-Stammheim in U-Haft. Der Vorwurf gegen uns lautet, dass wir an einem Angriff auf Mitglieder der rechten Pseudogewerkschaft „Zentrum Automobil“ beteiligt gewesen sein sollen. Aber nicht nur unser Fall zeigt, dass die Repression gegen Linke und Revolutionär*innen zunimmt. Das § 129-Verfahren gegen den Roten Aufbau in Hamburg, das § 129a-Verfahren in Frankfurt und Leipzig, die Festnahme der Genossin Lina in Leipzig und der Genoss*innen im MIEZE-Komplex sowie der Beginn des ersten Rondenbarg-Prozesses gegen fünf Beschuldigte: Mensch muss blind sein, um nicht zu merken, dass der deutsche Staat die Schrauben in letzter Zeit merklich anzieht.

Dies passiert nicht zufällig zu einem Zeitpunkt, in dem sich die Wirtschaft nicht nur wegen Corona in der Krise befindet. Die Herrschenden bereiten sich schon länger auf eine härtere Auseinandersetzung mit uns Kommunist*innen und Revolutionär*innen vor, wie mensch anhand der Verschärfung der Polizeigesetze in vielen Bundesländern vor wenigen Jahren sehen konnte. Denn diejenigen, die die Macht im Staate haben, also die Politiker*innen und die durch sie vertretenen Firmenbesitzer*innen, Großkonzerne und Manager*innen, wissen schon lange, dass die nächste Wirtschaftskrise nicht mehr so gut geht wie 2008. Die Gefahr, die der wirtschaftliche Abschwung für die herrschende Klasse darstellt, ist nicht, dass deren jeweiliges Privatvermögen darunter leiden könnte, sondern dass wir, also die Menschen, die nichts haben als ihre Arbeitskraft und diese an die Kapitalist*innen verkaufen müssen, um zu überleben, uns unserer Macht bewusst werden und gegen ein System aufbegehren, das für uns nicht viel mehr zu bieten hat als Niedriglöhne und Altersarmut. In der Krise, mit ihrer Kurzarbeit und den massenhaften angedrohten Entlassungen, erkennen immer mehr Menschen, dass der Kapitalismus überwunden werden muss, um Schluss zu machen mit der ewig wiederkehrenden Angst um die eigene Existenz.

Das ist aber nicht nur eine Gefahr für die Mächtigen, sondern auch eine Chance für uns, wenn wir jetzt auf unsere Kolleg*innen zugehen und ihnen reale Alternativen aufzeigen. Es ist in Krisenzeiten noch wichtiger als sonst, den Aufbau der eigenen Seite voranzutreiben.

Damit handeln wir natürlich entgegen der Interessen derer, die allen Reichtum in diesem Land besitzen. Deswegen reagieren sie mit umfassender Repression, um uns zu schwächen und in unserer Szene kleinzuhalten. Denn da stellen wir keine Gefahr dar, erst in der Zusammenarbeit mit der arbeitenden Bevölkerung sind wir eine ernstzunehmende Bedrohung.

Der falsche Weg wäre es, uns einschüchtern zu lassen und aus Angst, wegen der nächsten Demonstration eine Anzeige zu kassieren oder gar im Gefängnis zu landen, nicht mehr auf die Straße zu gehen. Uns hilft nur die viel beschworene Solidarität, dass wir uns gegenseitig unterstützen und helfen, wo wir nur können. Wenn wir zusammenhalten, uns nicht spalten lassen, dann kann der Staat noch so viele von uns einsperren, aber Erfolg wird er damit nicht haben.

Das Wissen, dass mensch von seinen Genoss*innen immer unterstützt wird, hilft über jede noch so schwere Situation, mensch fühlt sich nicht mehr allein und bekommt Kraft für alle kommenden Kämpfe. Das gilt natürlich ganz besonders im Knast. Es gibt kein schöneres Gefühl als die unbändige Freude, die mensch verspürt, wenn vor den Mauern ein paar Genoss*innen ein Feuerwerk veranstalten oder wenn mensch die vielen Solidaritätsnachrichten liest, die eine*n von überall her erreichen.

Nur so können wir die Angriffe auf uns abwehren und unsere Stärke erhalten. Habt Mut zu kämpfen! Habt Mut zu siegen! Denn für alles Reaktionäre gilt, dass es nicht fällt, wenn man es nicht schlägt“

Lasst uns so handeln, damit wir Erfolg haben werden

Grußwort von Jo

Die bundesweite Kampagne "Gemeinschaftlicher Widerstand" rief am 28. November 2020 anlässlich des Beginns der G20-Rondenbarg Verfahren zu einem dezentralen Aktionstag auf. Ihm Rahmen dessen fand bereits am Freitag, 27.11.2020, in Stuttgart eine Kundgebung und Infoveranstaltung statt, zu der Jo ein Grußwort geschrieben hat.
 
Liebe Genossinnen und Genossen,
 
Repression ist für uns als Linke nichts Neues. Seit dem Aufkommen der ArbeiterInnenbewegung im Zuge der Industriellen Revolution nutzt der Staat alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel, um unsere Bewegung klein zu halten.
Dieser Staat ist aber Werkzeug derer, die allen gesellschaftlichen Reichtum besitzen, also der Fabrikanten, Manager und Großgrundbesitzer.
Daran hat sich nichts geändert, egal ob im Kaiserreich, der Weimarer Republik, während dem Faschismus oder in der BRD. Natürlich war die Härte, mit der die Unterdrückung der arbeitenden Massen vorrangetrieben wurde, nicht immer gleich:
zum Glück sind wir heutzutage weit von Festungshaft und Todesstrafe wie unter der Hohenzollernmonarchie entfernt, ganz zu schweigen von den unvergleichbaren Greueltaten der Nazis. Aber die Macht besitzen seit jeher die gleichen.
 
Das Ausmaß der Unterdrückung ist immer auch Gradmeßer für den Erfolg unserer Bewegung. Wenn die Kapitalisten ihre Macht in Gefahr sehen, setzen sie vermehrt auf Repression.
Deswegen dürfen wir uns erst recht nicht unterkriegen lassen, wenn es mal vermehrt zu Festnahmen und Razzien kommt, wie es seit dem G20-Gipfel deutschlandweit immer öfter erleben. Egal ob beim Kampf für höhere Löhne, bezahlbaren Wohnraum, echte Klimagerechtigkeit, für die Befreiung der Frau oder beim antifaschistischen Abwehrkampf; wir handeln nicht im Interesse der Kapitalisten, sondern in dem unserem!
 
Wir müssen mit viel Mut weitermachen, weil wir auf dem richtigen Weg sein müssen, wenn wir als Revolutionäre von den Mächtigen wieder als Bedrohung wahrgenommen werden.
 
Gegen ihre Repression hilft nur unsere stärkste Waffe: die Solidarität. Aus eigener Erfahrung als Häftling in der JVA Stammheim weiß ich, dass es kein besseres Gefühl gibt, als die uneingeschränkte Solidarität seiner GenossInnen zu erfahren. Sie ist das, was einen selbst in schwersten Zeiten weitermachen lässt. Ohne sie sind wir nichts. Deswegen: organisiert euch in der Roten Hilfe und handelt euren GenossInnen gegenüber stets solidarisch. Wenn wir zusammenstehen, kriegt uns kein Staatsanwalt und kein Gefängnis klein.
 
Hoch die internationale Solidarität!
 
Hier gibt es das Grußwort von Jo als Audiomittschnitt von der Kundgebung:

 

Auszug aus einem Brief von Jo

Über das Knastleben:

Auch ich habe mir schnell Gedanken gemacht, was als Nächsteszu tun ist[Anmerkung: nach der Inhaftierung]: in der Anstaltsbücherei was zum Lesen ausleihen, Briefe an die Eltern schreiben, den Knastalltag kennenlernen; wann wird geduscht, wann ist Hofgang, kennt man evtl. Mithäftlinge?

Viehmann [Anm. ehem. Politischer Gefangener aus der Bewegung 2. Juni]schreibt, Hochsicherheitstrakte werden nach dem Prinzip „Jeder ist sich selbst der Nächste“betrieben. In einer „normalen“JVA ist das nicht anders. Dem wirkt man entgegen, indem wir uns als Häftlinge gegenseitig helfen und unterstützen, wo wir nur können. Der eine kauft Tabak für den anderen, da dieser kein Geld für den Einkauf hat, er schneidet dafür dem Kollegen die Haare, weil er draußen Friseur gelernt hat. Dieses Prinzip der gegenseitigen Hilfe ist für das Überleben im Knast extrem wichtig und großer Bestandteil davon ist auch, dass man die klaren Fronten zwischen uns Häftlingen und den Vertretern des Staates, der Schuld an unserer Inhaftierung hat, erkennt und entlang dieser Fronten handelt. Dazu gehört auch, dass man unter keinen Umständen mit den Justizbeamten kooperiert, was aber natürlich nicht heißt, dass man nicht normal mit ihnen umgehen darf. Es bringt einem herzlich wenig, alle Schließer gegen sich aufzubringen, dass lässt die Zeit hier nicht gerade leichter überstehen. Man darf aber niemals vergessen, dass die Beamten nicht „nur ihren Job“machen, denn sie haben sich genau diesen Job ausgesucht und sich somit auf die Seite des Staates gestellt, der uns wegsperrt. Und sie stehen nicht passiv auf der Seite der Mächtigen, sondern unterstützen aktiv mit ihrer täglichen Arbeit dieses System, das Schuld an so viel Leid ist.

Brief von Jo

Seit mehr als zwei Monaten sitzt der Antifaschist Jo in Untersuchungshaft. Im folgenden veröffentlichen wir seinen ersten öffentlichen Brief:

Liebe Genossinnen und Genossen,
seit dem 02.07.2020 befinde ich mich in der JVA Stuttgart-Stammheim in Untersuchungshaft. Mir wird vorgeworfen, an einem Angriff auf Faschisten der Pseudo-Gewerkschaft „Zentrum Automobil“ im Rahmen der kleinbürgerlichen Querdenken711-Demos beteiligt gewesen zu sein.
Während der sechs Wochen, die ich nun schon hinter Gittern verbringe, habe ich gelernt, dass Knast viel mehr ist, als nur eingesperrt zu sein.
Weiterlesen