Der Kampf geht weiter – gegen die Zustände in der JVA Ravensburg

Vor einigen Monaten haben 34 Gefangene der JVA Ravensburg durch ein Beschwerdeschreiben auf die dortigen Zustände aufmerksam gemacht.

Siehe Bericht vom 02.06.23:https://freiheit-fuer-jo.org/gegen-die-zustaende-in-der-jva-ravensburg-gefangenenbrief-und-kommentar/

Mittlerweile haben einige Zeitungen berichtet, es wurden Interviews geführt, und mit einer Kundgebung vor der JVA auf die Zustände und die Beschwerde aufmerksam gemacht.

Aufruf zur Kundgebung: https://freiheit-fuer-jo.org/gegen-die-zustaende-in-der-jva-ravensburg-kundgebung-am-10-juni/

Bericht: https://freiheit-fuer-jo.org/bericht-gegen-die-zustaende-in-der-jva-ravensburg/

Damit ist es allerdings noch nicht getan. Auch wenn die Anstaltsleitung die Vorwürfe geprüft haben will, vieles von sich weist und von Meinungsverschiedenheiten zwischen Anstaltsleitung und Gefangenen spricht hat sich leider noch nicht viel geändert.

Das alles wundert uns jedoch nicht, die Bedingungen in deutschen Knästen sind eng verbunden mit Schikane, Regel und Zwang, von gebrochen werden und Konditionierung, von Sanktionen und Isolation.

Der Knast ist in Deutschland aktuell das härtest Mittel der Repression und spiegelt kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung in ihren Extremen wieder und dient in letzter Konsequenz zu dieser Aufrechterhaltung.

Das bestätigt sich auch darin, dass Briefe an die Gefangenen in denen die Presseberichte zu den Beschwerden thematisiert oder angehängt waren einbehalten wurden, da sie die Ordnung der JVA gefährden würden.

Deshalb wenden sich Jo und zwei weitere Gefangene mit einem weiteren Brief an die Presse, welcher unten angehängt ist:

Montag 26. Juni 2023

Sehr geehrte Damen und Herren,

zuerst einmal wollen wir uns bei Ihnen bedanken, dass Sie unser Anliegen öffentlich gemacht haben. Damit konnte der Gesellschaft ein Eindruck vom Strafvollzug in Deutschland vermittelt werden. Unsere Unterstützer in Freiheit haben uns verschiedene Artikel zugeschickt, in denen über unsere Beschwerde berichtet wird.

Diese wurden von der Anstalt allerdings mit der Begründung einbehalten, sie „gefährden die Ordnung der Anstalt“.

Ob dies tatsächlich auf Ihre Zeitung zutrifft, können Sie wohl selber am Besten beurteilen.

Um trotzdem einen Einblick in Ihre Berichte zu bekommen, haben wir uns den Inhalt am Telefon vorlesen lassen.

Leider ist genau das eingetreten, was wir befürchtet hatten. Die Anstalt beschränkt sich darauf, einige wenige Verbesserungen einzuführen, während sie bei den wichtigen Themen vertröstet, oder sie komplett außer Acht lässt.

Zwar dürfen wir an den Wochenenden wieder duschen und auch beim Besuch gab es ein paar Lockerungen, aber im Gegenteil zur Aussage der stellvertretenden Anstaltsleiterin Frau Möller sind diese Kritikpunkte damit noch lange nicht ausgeräumt.

So heißt es, dass die Gelegenheit zum Duschen nach der Arbeit bei konkretem Bedarf eingeräumt „wurde und wird“.

Dies erlauben die Beamten allerdings nur vor einem Besuch, dass wir auf der Arbeit mit Gefahrenstoffen (wie in unserem Fall: Kühlflüssigkeit, Öle, Reiniger und Lacke) in Berührung kommen, scheint jedoch nicht als „konkreter Bedarf“ zu gelten.

Wir haben unseren Beamten unsere verschmutzten Arme gezeigt und gefragt, ob dies ausreicht, um uns duschen zu lassen.

Deren Aussage aber lautete, dass die Anweisung haben, nur den in der KFZ-Werkstatt tätigen Gefangenen das Duschen zu erlauben, niemandem sonst, egal wie verschmutzt er ist.

Auch beim Besuch werden die alten Regelungen noch lange nicht erreicht!

Von der Anstalt heißt es, es fänden nun Besuche „im Rahmen der personellen Möglichkeiten“ statt.

Noch vor der Pandemie mit etwa 100 Häftlingen mehr, war es dennoch möglich, 3×3 Stunden, bei guter Führung sogar 4×3 Stunden Besuch pro Monat zu empfangen.

Nun sind es nurnoch 3×1 Stunde pro Monat. Wenn der Besuch eine weite Anreise hat, lohnt es sich für 1 Stunde fast nicht.

Im Gespräch mit der „Südwestpresse“ sagte Möller „ An der Erreichung dieses Zieles (der Resozialisierung) mitzuarbeiten ist Aufgabe aller Vollzugsbediensteten.“

Es freut uns sehr, dass Fr. Möller in der Lage ist, das Vollzugsgesetzbuch zu zitieren, nur leider entspricht das nicht der Realität!

Die von uns konkret genannten Situationen, in denen eine erfolgreiche Resozialisierung offensichtlich behindert wurde, ignoriert die Anstaltsleitung komplett und auch in der uns vorliegenden Antwort des Justizministeriums auf unser Beschwerdeschreiben wird darauf nicht eingegangen.

Nur um das nochmal klarzustellen, es geht hier nicht um eine Nebensache, sondern um das Hauptziel des Strafvollzugs.

Laut Anstaltsleitung soll die Drogenberatung durch Kooperation mit dem Sozialdienst entlastet werden. Wie soll diese Entlastung funktionieren, wenn wir Gefangenen nicht mit dem auf unserem Stockwerk tätigen Sozialarbeiter zusammenarbeiten können, weil die Vertrauensbasis durch sein Handeln nachhaltig zerstört wurde?

Nach der Überprüfung der beschriebenen Vorfälle konnte der Anstaltsleiter angeblich kein Fehlverhalten feststellen. Uns und vorallem den betroffenen Gefangenen wurde in keinster Weise mitgeteilt, wie es zu den Ergebnissen der Überprüfung kam und welche Vorfälle überhaupt überprüft wurden.

Es wurden nicht mal die Stellungnahmen der beteiligten Häftlinge eingeholt.

Wie kann man zu einem ausgewogenen Urteil kommen, wenn man sich nur die Sichtweise des Beschuldigten anhört?

In welcher Welt ist das Verhalten des Sozialarbeiters Hr. M kein Fehlverhalten?

Zu der Frage nach einem Inflationsausgleich bei dem geringen Lohn, der uns gezahlt wird, heißt es von Seiten der Anstalt im Gespräch mit der „Schwäbischen“, man prüfe, wie die finanzielle Mehrbelastung der Gefangenen abzufedern wäre.

Was für eine Prüfung das ist oder wie die Inflation ausgeglichen werden soll, wird nicht näher erläutert. Das Justizministerium BW sieht in seiner Antwort auf unsere Beschwerde keinen Grund zu handeln oder gar irgendetwas zu „prüfen“ und beschränkt sich darauf, uns zu erklären, wie sich unser Lohn zusammensetzt. Für uns hat es den Anschein, als versucht man der Öffentlichkeit zu vermitteln, man würde sich um unsere Anliegen kümmern, während in Wahrheit keine Bereitschaft da ist, unsere Situationen zu verbessern.

Mittlerweile hat sogar das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 20.06.2023 entschieden, dass die Hungerlöhne, die uns Gefangenen in den Gefängnissen gezahlt werden, gegen das Grundgesetz verstoßen.

Das sollte das Justizministerium BW als weiteren Ansporn sehen, möglichst bald nachzubessern und unsere Löhne endlich auf ein menschenwürdiges Niveau zu heben!

Zum Schluss würden wir gerne noch einen Punkt ansprechen, der keinen Platz in unserer ursprünglichen Beschwerde gefunden hat, den wir aber als wichtig genug erachten, dass wir ihn öffentlich machen wollen.

Dabei handelt es sich darum, das auch die Wartezeiten für den psychologischen Dienst unglaublich lang sind!

Von der Antragsstellung bis zum Termin vergehen regelmäßig mehrere Monate, teilweise warten Häftlinge seit einem halben Jahr auf einen Termin.

Der psychologische Dienst ist dafür da, eine Tat- und Persönlichkeitsaufarbeitung mit uns Häftlingen durchzuführen.

Dies dient dazu, uns dabei zu helfen, unsere eigene Persönlichkeit kennenzulernen und zu verstehen, wie es zu den von uns begangenen Taten kommen konnte.

Insofern sind regelmäßige Gespräche mit den Psychologen elementar für eine erfolgreiche Resozialisierung. Außerdem sind die Psychologen oft die einzigen Ansprechpartner bei persönlichen Problemen, die man vielleicht nicht mit seinen Mithäftlingen besprechen will.

Sie sollen also im Idealfall eine Art Vertrauensperson sein.

Dass dies bei 2-3 Terminen im Jahr nicht möglich ist, ist wohl offensichtlich.

Vor wenigen Tagen hat sich noch ein Vorfall zugetragen, den wir Ihnen nicht vorenthalten können, da er gut zeigt, wie wichtig es ist, dass sich hier etwas an den Zuständen ändert.

Einer unserer Mitunterzeichner der Beschwerde klagte über Zahn- und Magenschmerzen und da kein Arzt vor Ort war, gaben ihm die Beamten und Sanitäter mehrere Tage lang täglich bis zu 20 Iboprofentabletten ohne zusätzliche Magenschutztabletten.

Diese Fehlbehandlung endete damit, dass der Gefangene in die Notaufnahme eingeliefert werden musste.

Diesmal ist das Ganze noch einigermaßen glimpflich ausgegangen, aber das wird sicher nicht immer der Fall sein.

Dies sollte ein Weckruf sein!

Nochmals vielen Dank dafür, dass Sie die Anstalt mit unseren Vorwürfen konfrontiert haben.

Gerne können Sie Rückfragen auch direkt an uns stellen, am Besten per Post an die Adresse der JVA Ravensburg.

Mit freundlichen Grüßen

Nico Häußler, Joel Petzoldt, Elias Grealy